Opening night speech by Sabine Himmelsbach

Excerpts from the Opening Speech of Sabine Himmelsbach
Artistic Director, Edith Russ Site for Media Art

Meine sehr geehrten Damen und Herren,

ich freue mich, Sie heute Abend zur Eröffnung unserer Ausstellung MY OWN PRIVATE REALITY begrüßen zu dürfen. …

MY OWN PRIVATE IDENTIY stellt die Frage, wie sich unser Umgang mit dem Netz im Vergleich zum ersten Internet-Hype der 1990er Jahre verändert hat und gibt dabei einen Überblick über die Entwicklung der letzten 10 Jahre. In der Ausstellung sehen sie künstlerische Werke, die die Architektur des Netzes, seinen kontinuierlichen Fluss von Daten visualisieren, wie die Arbeit von Thomson & Craighead, sie sehen Arbeiten die zum Mitmachen anregen und das generationsübergreifende Potential des Internets deutlich machen, wie die Arbeit „What’s Cooking Grandma“ der britischen Design-Gruppe Human Beans, die die Tradition der Überlieferung – in diesem Fall Kochrezepte – um die Möglichkeiten der Darstellung durch Ton und Bild bereichern und sie sehen Werke, die die Einflüsse des Internets auf unsere Kultur widerspiegeln, die beispielsweise die Bilder von Olia Lialina & Dragan Espenschied, die die neuen Ikonen des Web 2.0 zu Bildsujets ihrer Malerei erheben.

Zwei Projekte unserer Stipendiaten im letzten Jahr – Annina Rüst und die Künstlergruppe ubermorgen.com – waren Ausgangspunkt für diese Ausstellung, die beide jeweils ein Netzprojekt hier in Oldenburg entwickelt haben. ubermorgen.com ist mit der Arbeit „Amazon Noir – The Big Book Crime“ in der Ausstellung vertreten und was sie sehen, ist die Dokumentation eines Medien-Hacks. ubermorgen.com haben eine Software entwickelt, mit deren Hilfe es möglich war, Bücher mittels der manipulierten Suchfunktion auf der Website des Online-Buchladens Amazon.com komplett aus dem Netz zu laden und auf dem eigenen Rechner wieder zusammenstellen zu lassen. Annina Rüst hat eine Software entwickelt, mit der es möglich ist, in Funknetzwerken mit vernetzten Computern gemeinsam Musik zu machen. Hier in der Ausstellung ist sie mit einem Projekt vertreten, das ein konspiratives Online-Netzwerk mit dem Namen „Sinister Social Network“ präsentiert, das auf amüsante Art und Weise die Idee der sozialen Online-Gemeinschaften ad absurdum führt und welches dem Besucher erlaubt, die Struktur von Netzwerken auf potentielle Verschwörungstheorien hin untersuchen.
Diese Arbeiten waren für Sarah Cook und mich der Anlass, eine Ausstellung zu entwickeln, die einen Überblick gibt über die Produktion netzbasierter künstlerischer Arbeiten der letzten Jahre. Wir haben Werke zusammengetragen, die nicht alle netzbasiert sind, die aber die Veränderungen und Auswirkungen thematisieren, die das Internet auf unsere Kultur hat. Die Auswahl reicht dabei von Arbeiten, die mit einer gewissen Nostalgie auf die Entwicklungen der letzten Jahre zurückblicken bis zu listigen Manipulationen von bekannten Webportalen, wie beispielsweise die Website Subvertr.com der italienischen Künstlergruppe Les Liens Invisibles, die das Fotoportal Flickr.com imitieren und dabei mit falschen Begriffszuordnungen die Frage nach der Verlässlichkeit von Informationen im Netz deutlich machen.

Im Untertitel der Ausstellung ist von der Generation Internet die Rede, die erwachsen geworden ist. Gemeint ist damit sowohl das World Wide Web, welches lange Zeit als rein kommerziell und konsumorientiert galt und inzwischen wieder ein sozialer Raum geworden ist, in welchem sich Menschen aus aller Welt begegnen und Meinungen und Erfahrungen austauschen – sei es über persönliche Selbstdarstellungen, Fotos oder Videos. Damit scheinen sich die Utopien der Netzpioniere doch noch verwirklicht zu haben. Tim Berners Lee, der Erfinder des World Wide Web, sprach in frühen Statements von der sozialen Dimension und dem prozessualen Charakter des Netzes, der ihm immer wichtig war: „Das Web ist eher eine soziale denn eine technische Schöpfung. Ich habe es erfunden, damit es soziale Auswirkungen hat, nicht als irgendein technisches Spielzeug.“
Neben dem Netz selbst haben sich aber auch die Nutzer des Internets emanzipiert und sind erwachsen geworden. Immer mehr Menschen haben teil am Gestaltungsprozess im World Wide Web. Sie sind nicht mehr nur Konsumenten, sondern vor allem auch Produzenten.
Amateure, die in mediale Produktionsprozesse eingreifen, gab es auch in vor-digitalen Zeiten. Mit dem sogenannten Web 2.0 ist allerdings die Teilhabe am Gestalten von Inhalten im Internet so einfach geworden, das es immer mehr Medienamateure gibt, die sich in den neuen sozialen Foren des World Wide Web zu neuen starken Gemeinschaften zusammenschließen.
Die Wochenzeitschrift DIE ZEIT spricht von der „Humanisierung des Netzes“ und trägt damit dem Phänomen Rechnung, dass heute der Einzelne im Netz im Vordergrund steht.
…. Gerade die eigene Persönlichkeit herauszustellen ist das Anliegen von Onlineportalen und Plattformen, die der eigenen Selbstdarstellung im World Wide Web dienen – beispielsweise den Profilseiten wie Friendster oder MySpace (wohl im Moment die populärste Community), auf denen man sich mit Bildern, Texten, Musik, Videos und den Verknüpfungen zu anderen Nutzern präsentiert, mit Fotoportalen wie Flickr.com, auf denen Bilder eingestellt und verschlagwortet werden können oder nicht zuletzt der Video-Plattform YouTube, die das Einstellen von Videos ermöglicht. Die Ausstellung zeigt auf, welche Bedeutung die Medienkulturen, deren Grenze zwischen Populärkultur und kommerzieller Kultur immer fließender wird, für die medialen Selbstdarstellungsstrategien haben.

…. Die Handhabung der neuen Werkzeuge will gelernt sein, denn die Stärken der neuen Technologien zeigen sich in ihren Auswirkungen auch außerhalb des Netzes. …. Der Medienwissenschaftler Thomas Burg, der das Institut für Neue Medien an der Donau-Universität Krems leitet, spricht von einer neuen Kluft, die sich auftut und warnt eindringlich davor, nicht den Anschluss zu verpassen. Gerade auch in diesem Sinne ist es ein Anliegen der Ausstellung, Entwicklungen und Veränderungen des Internets der letzten 10 Jahre aufzuzeigen, Projekte zugänglich zu machen und Lust zu wecken, teilzuhaben an den Potentialen der digitalen Welt.

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